Page 12 - Kerbeheft der Bessunger Kerb 2011
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1978 in Bessungen
Die Fabel über eine Erscheinung der besonderen Art (von Charly Landzettel)
„Die Russe kumme!“, mit diesen Worten stürmte ein Alteingesessener hochaufgeregt Ende der 70iger- Jahre zum Stammtisch in die Bessunger Turnhalle, und er ergänzte: „uffem Fohrrad!!!“. Nun hatten die, die immer da saßen, schon lange den Verdacht, dass irgendwann ein- mal solches pas- siert, nämlich die Weltpolitik (ihr
Hauptthema)
aus den Fugen gerät und tatsächlich die Russen
zwecks Landnahme vor der Tür stünden. Dass sie dieses Unterfan- gen aber tatsächlich per Fahrrad bewerkstelligen wollten, erschien den trinkfreudigen Bessungern dann doch etwas suspekt. „Schilder uns doch emool genau, was du gesäje host“, forderten die Anwe- senden von ihrem Stammtischbru- der. „Ei so en klaane Schmächdische mit em Vollbort is mit so eme alte Haiger die Bessunger Stroß nuffge- strambelt, an de Schul seidlich abge- booche un hot sich im Gemeinde- haus versteggelt!“.
Diese Schilderung kam den Brüdern im Umtrunk noch dubioser vor und sie beschlossen, der Sache am nächs- ten Tag gründlich auf den Grund zu gehen, denn ein kleiner, schmächtiger und vollbärtiger Radler bewog sie nicht dazu, Sofortmaßnahmen zu
ergreifen. „Isch kenn de Kister!“, bemerkte einer in der Runde, und der solle mal nachforschen, was da rund um die Bessunger Kirche passiert, „schließlich bezahl isch Kerchesteier – odder isch geh aafach selbst hie!“.
Und so kam es, dass am nächsten Morgen ein noch nicht so ganz taufrisch aussehender Stammtischbruder im Büro der Petrusgemeinde auftauchte mit der Frage: „Gibt’s hier Russe?“. Die beiden Angestellten im Gemeindebüro schauten erst sich und dann den bierdünstigen Besucher eine Weile fragend an, hatten aber par- tout keine Antwort auf das Vorgetragene. „Neh- men Sie doch einen Moment Platz“, beschloss schließlich eine der Damen „ich hole mal unse- ren Herrn Pfarrer, der hat’s zwar eilig, weil eine Kindtaufe bevorsteht, aber der kann Ihnen bestimmt weiterhelfen“.