Bessunger feiern ihre Kerb im Kleinformat
Ein Karussell, einen Biergarten und gute Stimmung: Die „Bessunger Tage“ hatten alles zu bieten, was eine Kerb ausmacht. Statt der Kerbmutter gab es eben eine „Tagesmutter“.
(Foto: Dirk Zengel)
Und es dreht sich doch. Es dreht sich ums Bier, um die Kirche, ums Feiern trotz alledem. Es dreht sich sogar das Kinderkarussell in Bessungen vor der Orangerie bei den „Bessunger Tagen“, die eigentlich wieder einmal ein rauschendes Fest, eine handfeste Kerb hätten werden sollen mit dem größten Kerbumzug Darmstadts, Live-Musik und Budenzauber. In diesen Zeiten das Ganze abgespeckt, kein Autoscooter, keine Schießbude, statt der Kerbmutter zwar prosaisch, aber folgerichtig eine „Tagesmutter“, unter den Gästen und den Verantwortlichen herrscht am Freitag jedenfalls rundum gelöste und freudige Stimmung.
Reiner Galgenhumor? Eher Schicksalsergebenheit. Natürlich wird über die Pandemie gesprochen, Roland Hotz vom Kikeriki-Theater ist zunächst nicht geneigt, eine zitierfähige Kostprobe seines Humors beizusteuern, die Theatercrew hat harte Zeiten hinter sich und noch vor sich. 1973 ist er nach Bessungen gezogen. Woher? „Aus’m Watzeviertel“, ach, doch so weit, schon wird es lustig, Gefrotzel untereinander wenn Charly Landzettel (Vorsitzender) und weitere Organisatoren von der Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe (BBL) an den Stehtisch kommen, gleich neben dem „Imbiss Hausmann“.
Drei Schläge, dann läuft das Bier
„Drei Schläge, dann muss es laufen“, sagt ein Gast, als OB Jochen Partsch das 30-Liter-Fass in guter Tradition ansticht, der dritte Schlag sitzt, „ewwe läufts“, der Gast ist zufrieden. „Tagesmutter“ Aurora DeMeehl hält mit einer 1,5 Meter langen Gumminudel alle auf Abstand, im offen abgetrennten Sitzbereich gibt es 150 Plätze und ein Einbahnstraßensystem. Der organisatorische Aufwand sei in diesem Jahr größer gewesen als üblich, meint Landzettel, „die Kommunikation mit der Stadt hat aber gut geklappt“.
Die BBL hatte auf 200 Plätze gehofft, das entscheidet die Stadt in Absprache mit den Schaustellern. Christina Hausmann ist mit Tochter und Schwiegersohn in ihrem Imbiss mehr als gut beschäftigt und über den Umsatz gerade positiv überrascht. Die Würste brutzeln, die Pommes zischen im heißen Fett, diesmal nicht die geriffelten, sondern die glatten. „Die Kartoffeln nicht nur der hessischen Bauern liegen auf Halde, weil alle Großfeste abgesagt wurden“, weiß Hildegard Förster-Heldmann, Bessungerin und im Landtag für die Grünen.
Geschmacklich sind auch die glatten eins A, Lara Wahrlich und ihre drei Kinder sowie Nadin Hubl mit Töchterchen haben sich an diesem Tag jedenfalls ausschließlich von Pommes, Zuckerwatte und Eis ernährt. Sie sind froh, dass die Kerb überhaupt stattfindet, Lara Wahrlich kommt aus Köln, da ist alles abgesagt. Die beiden jungen Mütter würden auch abends zum Feiern kommen, „wär schon mal wieder schön“, sagen sie unisono, während der Nachwuchs sich lautstark weigert, das Karussell zu verlassen.
Christina Hausmann, Schaustellerin in sechster Generation, ist kurzfristig eingesprungen, Bierzeltgarnituren mussten organisiert werden, „großen Dank ans Braustüb’l“, sagt sie in Richtung Wolfgang und Christoph Koehler von der Brauerei. Das Fass ist längst geleert und vom Platz gerollt, am Getränkestand wird weiter gezapft, „noch hammer Dorscht“, sagt Wolfgang Koehler, „noch lebbe mer“. „Gut dass die Kerb stattfindet“, sagt der Uralt-Bessunger Konstantin Flamm, „die haben das hier prima gelöst“. Die Oarhelljer Kerbmannschaft stößt ebenfalls an, Achim Horneff: „Wir sind die letzte Kerb im November, wenn hier alles gut klappt, dürfen wir vielleicht auch unsere Kleinausgabe feiern.“
Kirche im Fokus
Bei den „Bessunger Tagen“ stand wie bei der Kerb die Bessunger Kirche im Fokus, mit Illumination der Kirche und ökumenischem Gottesdienst auf dem Festplatz, liegen doch die Ursprünge des Fests im kirchlichen Leben begründet.
(Bettina Bergstedt)
Anstelle der Kerb:
Ab Freitag laufen die „Bessunger Tage“
Corona macht auch den Organisatoren der wohl kultigsten Kerb der Stadt einen Strich durch die Rechnung. Doch es gibt eine kleine, abgespeckte Alternative.
(Foto: Dirk Zengel)
Eigentlich würde Bessungen am Wochenende kopfstehen – wie an jedem dritten Wochenende im September. Doch die wohl kultigste Kerb der Stadt wird es in diesem Jahr nicht geben: Corona macht den rührigen Organisatoren der Bürgeraktion Bessungen Ludwigshöhe (BBL) auch hier einen Strich durch die Rechnung.
Doch die BBL wäre nicht die BBL, wenn sie aus den vorgegebenen Umständen nicht das Beste herausholen würde: So stehen jetzt die „Bessunger Tage“ an, die am Freitag, 18. September um 17.30 Uhr im Gastro-Bereich von Schaustellerin Christine Hausmann mit dem Bieranstich in der Orangerie offiziell beginnen. Gegen 18 Uhr richtet Kerbemudder Aurora DeMeehl eine virtuelle Botschaft an die Bessunger, um 19 Uhr informiert BBL-Vorsitzender Charly Landzettel über die Geschichte der Orangerie.
Am Samstag, 19. September, führt Schorsch Angrick eine Wanderung durch den Bessunger Forst (Treffpunkt 14 Uhr, Lichtenbergschule), zwischen 20 Uhr und Mitternacht soll die Bessunger Kirche in buntem Licht erleuchten. Um sie geht es schließlich, erinnert die Kerb doch an die Weihe der Bessunger Kirche, die, urkundlich erwähnt, schon im Jahr 1002 erfolgt sein soll.
Am Sonntag, 20. September, steht um 10 Uhr im Orangeriegarten der Kerbgottesdienst mit Pfarrerin Karin Böhmer und Pfarrer Stefan Hucke auf dem Programm, um 12 Uhr führt Wolfgang Emmerich über die historischen Kerbplätze der Bessunger (Treffpunkt Orangerie). Wie die BBL mitteilt, sind zu allen Führungen Anmeldungen notwendig per E-Mail an monika.arnold@bessungen-ludwigshoehe.de.
„Wir freuen uns darüber, dass Schaustellerinnen und Schausteller im Rahmen des Darmstädter City-Sommers während unserer Bessunger Tage in der Orangerie präsent sein können“, sagt Charly Landzettel von der BBL. So wird Christine Hausmann die Gastronomie übernehmen, ein Kinderkarussell wird seine Runden drehen und Klaus Bauer wird Süßwaren anbieten. Für den Gastro-Bereich sind nach Angaben der Organisatoren vonseiten der Stadt 150 Gäste zugelassen (Stand Montagabend).
„Wir lassen in diesem Jahr also die Kirche im Dorf und halten den Ball flach“, bilanziert Charly Landzettel die akribischen Vorbereitungen seiner BBL-Akteure und schränkt ein: „Unser kleines abgespecktes, aber nicht abgesagtes Programm steht immer unter dem Vorbehalt, dass sich die Corona-Auflagen nicht doch noch verschärfen.“
(Frank Horneff)