Fünf Tage Kerb: Bessungen im Ausnahmezustand
Die Bessunger haben ihre Kerb wieder ausgelassen, ohne Corona-Beschränkungen, gefeiert. Trotz Regen warteten Zuschauer mit guter Laune auf ihren Umzug. Schluss ist am Dienstagabend.
Foto: Andreas Kelm
DARMSTADT – Musik, ein Stadtteillauf, Flohmarkttrubel und ein bunter Abend: In Bessungen herrschte am Wochenende Ausnahmezustand. Noch bis Dienstagabend steht das Stadtviertel ganz im Zeichen der Kerb. „Das erste Mal feiern wir wieder wie gewohnt ohne Besucherbeschränkung an fünf Tagen“, freute sich Sonja Schönig am Sonntag. Die zweite Vorsitzende des ausrichtenden Vereins Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe (BBL) saß kurz vor dem Start des Kerbumzugs im Vereinswagen und wartete auf den Beginn. „Der Umzug in Bessungen war immer einer der größten in Darmstadt“, berichtete sie. Zugmarschall Reiner Leichtlein, der kurz vor dem Start noch mal die Reihen abgelaufen war, hatte die aktuellen Teilnehmerzahlen parat: „58 Zugnummern haben wir dieses Jahr. Leider haben rund 20 Gruppen kurzfristig abgesagt – teilweise wegen des Wetters“, erklärte er.
Die reduzierte Zahl an Mitläufern konnte der Stimmung keinen Abbruch tun: Die wartenden Schaulustigen auf den Bürgersteigen und die Teilnehmer des Kerbumzugs waren bester Laune. Es wurde getanzt, geschunkelt und geklatscht. Hier und da ertönte laute Partymusik, an anderer Stelle wurden die Positionen für den Startschuss eingenommen. Die Musikzüge spielten sich noch mal ein, die Kerweburschen und -mädchen der befreundeten Vereine kletterten auf ihre Wagen, die Kinder am Straßenrand hielten ungeduldig Beutel und Körbe für die „Kamelle“ in den Händen – es konnte losgehen.
Die letzten Jahre waren „einfach nicht dasselbe“
Laut Sonja Schönig seien die Besucher in diesem Jahr sehr zahlreich gekommen und alle hätten gewirkt „als ob sie solche Zusammenkünfte sehr vermisst hätten.“ Auch im Verein sind laut Schönig alle überglücklich, „ihre Kerb“ nach all der Zeit gemeinsam zu organisieren und zu feiern. „Es ist toll, zusammenzukommen, sich auszutauschen und alles wieder so tun zu dürfen, wie es immer war. Die Kerb gehört immerhin zu den großen kulturellen Veranstaltungen in Bessungen.“ In den vergangenen Jahren hätten die Feierlichkeiten nur Corona-konform in abgespeckten Varianten funktioniert, mit dem Kerbgottesdienst unter freiem Himmel und abgezählten Gästen – „das war einfach nicht dasselbe.“
Neben der Tatsache, dass die Kerb seit der Pandemie das erste Mal wieder wie gewohnt gefeiert werden kann, gibt es laut Sonja Schönig in diesem Jahr noch etwas Besonderes: den neuen Kerbvater Matthias Naas. „Es ist seine Premiere und die hat er bisher gut gemeistert“, lobte sie. Naas löst Kerbmutter Aurora DeMeehl ab, die im vergangenen Jahr abdankte. Beim Kerbumzug war sie aber samt ihrem Herrn Schmidt Teil der Zugnummer von Comedy-Hall und Kikeriki Theater. Künstlerisch anmutende Figuren aus Stoff, mit faltigen Gesichtern und Haaren aus Wolle, von zwei Helfern getragen, gehörten hier ebenfalls dazu.
Kerb-Programm läuft noch bis Dienstag
Lachend, winkend und Bonbon-werfend folgten die verschiedenen Parteien, die Evangelische Petrusgemeinde Darmstadt, der Sportverein TEC, dessen Mitglieder mit Eishockey- und Tennisschlägern ausgerüstet waren und das Agaplesion Heimathaus mit Luftballon geschmückten Fahrrädern. Vom Donnersbergring, wo die Aufstellung am frühen Mittag erfolgt war, ging es durch die Weinbergstraße, die Mendelssohns- und die Ludwigshöhstraße bis zum Zielpunkt in der Bessunger Straße kurz vor dem Festplatz, wo alle Teilnehmer am Schluss vorgestellt werden sollten.
Doch mit dem Ende des Festumzugs ist die Kerb noch lange nicht vorbei, wie Sonja Schönig in Aussicht stellte: „Am Montag gibt es unseren Frühschoppen, am Abend folgt ein Feuerwerk in der Orangerie und am Dienstag wird die Kerb dann abends beerdigt.“
(Miriam Gartlgruber)
Darmstädter Ludwigshöhe wird Bienenparadies
Der Verein Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe will mit einem Lehrpfad eine weitere Attraktion für Mensch und Natur schaffen. Der erste Teil des Vorhabens ist eingeweiht.
Foto: Andreas Kelm
DARMSTADT – Die Honigbienen sind das eine. Sie sind durch die inzwischen zunehmende Zahl der Imker, in Deutschland rund 100.000, nicht mehr bedroht. Anders die Wildbienen. Von ihren rund 560 Arten ist etwa die Hälfte gefährdet. Und das eifrige „Aufrüsten“ durch Honigbienenvölker im urbanen Raum bietet nicht etwa einen sinnvollen Ausgleich zu fehlenden Wildarten, sondern wird zur Konkurrenz. Nicht, weil alle Bienen die gleichen Pflanzen anfliegen. Nein, jede Bienenart braucht ganz spezifische Pflanzen, manchmal sogar nur eine einzige Pflanzenart. Durch die sich vermehrenden Honigbienen lassen sich Wildbienen aber leicht verdrängen, sie weichen aus, können aber nur bedingt ( je nach Bepflanzung) neue Quartiere finden.
Die Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe (BBL) versucht nun mit einer neuen Aktion, Wildbienen und Honigbienen gerecht zu werden. Darauf wies Vorstand Charly Landzettel am Sonntagvormittag zur Einweihung des ersten Teils des Bienen-Lehrpfades hin. Direkt hinter der Ludwigsklause ist schon ein kleiner Weg angelegt, der sich zu einem Oval öffnet, auf dem vier Bienenkästen für Honigbienen stehen. Um die Kästen herum wurden bienenfreundliche Sträucher gepflanzt wie Sommerflieder und Hibiskus, ein Baum, der bis dahin ein Kübeldasein fristete, wurde umgepflanzt. Hier ist der Ausgangspunkt für den Lehrpfad, von der Straße aus Richtung Westen den „Schwab-Weg“ entlang zum Waldkunstpfad. Der Weg wurde nach dem großzügigen und damals anonymen Geldgeber, dem Kaufmann Wilhelm Schwab, benannt, der den Bau des Ludwigsturms 1882 ermöglichte.
Vier Informationstafeln stehen bislang am Eingang des kleinen Areals. Sie berichten über das Leben der Bienen und informieren darüber, wie Honig hergestellt wird, oder dass die Wespen im Apfelweinglas nichts mit Bienen und den zu Bienen gehörenden Hummeln zu tun haben, die keinerlei Interesse an zubereiteten Speisen und Getränken zeigen. Insgesamt sollen zehn Tafeln am Schwab-Weg verteilt werden, eine informiert eigens über die Wildbienen: Es ist „das Zusammenspiel von Wild- und Honigbienen“, das eine sichere Bestäubung vieler Wild- und Kulturpflanzen gewährleistet – und damit Artenvielfalt.
Deshalb werden außerdem für Wildbienen „Bienenhotels“ am Schwab-Weg verteilt. Eines ist bereits ineinem nahe gelegenen Baum untergebracht. Denn anders als ein Bienenstock oder -kasten geht das Bienenhotel auf die Bedürfnisse vieler wilder Arten ein. Wildbienen leben überwiegend vereinzelt und suchen sich bevorzugt Löcher im Boden als Behausung oder in Trockenmauern und Lehmwänden, manche auch in Hohlräumen von Ästen und Baumstämmen. Das Wildbienenhotel ist entsprechend ein aus Holz gefertigter Kasten mit Einbohrungen, die als Schlupflöcher dienen. „Damit macht der Bienenlehrpfad die Komplexität der Bienenwelt an einem solchen öffentlichen Platz erlebbar“, sagte Wolfram von Rotberg als Magistratsmitglied und Vertreter der Stadt.
Charly Landzettel dankte den vielen Helfern, stellvertretend Horst Uhrhan vom Verein BBL, die die Ärmelhochgekrempelt und tatkräftig geholfen haben. Aber auch den Sponsoren, darunter die Rotarier Darmstadt und der ehemalige Chef des Braustüb’l, Wolfgang Koehler. Ein Dank ging natürlich auch an die beiden Imker Dirk Olten und Bernd Drewelies (Imkerverein Darmstadt und Griesheim), die die Bienenstöcke fortan betreuen. Das Ergebnis ihrer Fürsorge, der „Großherzog-Ludwig-Honig“, kann vielleicht schon im nächsten Jahr zeigen, was die Flora und Fauna auf der Ludwigshöhe so hergibt: Im Umfeld sind die Obstwiesen, der Wald und viel Efeu. Das wird sicher ein Geschmackserlebnis der besonderen Art.
(Bettina Bergstedt)
Neuer Bienen-Lehrpfad auf der Darmstädter Ludwigshöhe
Vier Völker sind am beliebten Freizeitgelände gelandet, ab Sonntag kann man einen Blick in ihre Welt werfen. Und wann gibt’s den ersten Honig?
Foto: Guido Schiek
DARMSTADT – Montagfrüh auf der Ludwigshöhe, erhöhte Vorsicht ist geboten. Eben holen die beiden Herren vom Imkerverein Darmstadt/Griesheim die hölzernen Kästen mit ihren Jungvölkern aus dem Auto. Die sollen auf dem Plätzchen hinterm Kiosk aufgebockt werden, dauerhaft, als zentrale Schaustücke des neuen Bienen-Lehrpfads.
Eigentlich ein friedliches Völkchen, sagen die Imker. „Aber die sind jetzt schon ein bisschen gereizt“; die Anfahrt, die Hitze, die ungewohnte Umgebung. Also: Obacht, und erst mal eine Schutzhaube über den Kopf werfen.
In dieses weiße Kostüm können ab Sonntag alle schlüpfen, die auf dem Darmstädter Hausberg etwas über die Bienen, die Blumen und den ganzen Rest lernen wollen. Am 31. Juli wird um 11 Uhr der erste Teil des Lehrpfads eröffnet. Die engagierten Menschen der Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe (BBL) erzählen, wie sie diesen Lieblingsort weiter aufwerten wollen; die Imker lassen Neugierige einen Blick ins Innenleben der Bienenkästen werfen und erzählen, was die neu angesiedelten Tierchen so treiben. Das ist allerhand.
Erst mal, berichten die Vereinsleute Dirk Olten und Bernd Drewelies, orientieren sich die Insekten am neuen Standort, so etwa einen Tag lang. Dann schwirren sie ab: in die nahen Streuobstwiesen, in den Wald, in die Gärten der Villen-Kolonie. Zu holen gibt’s im Hochsommer freilich nicht mehr viel. „Wir müssen mit Sirup füttern, um die winterfest zumachen“, sagt Drewelies.
Ein paar Kanister haben sie gleich mitgebracht. Denn bis zum Winter „müssen die auf Volksstärke kommen“. Heißt: 15.000 bis 20.000 Tiere müssen dann in jeder Kiste sein, um sich gegenseitig wärmen zu können in den kalten Monaten. Derzeit sind es etwa 8.000. Da heißt es zunächst: fröhliches Vermehren.
All das und mehr können die Besucher des Lehrpfads ab Sonntag erfahren. Zunächst wird der Platz der Völker eröffnet, in den nächsten Wochen folgen Erklärtafeln entlang des Weges. Auch Waldbienen-Hotels will man einrichten, sagt BBL-Mann Charly Landzettel. Dazu gibt es Führungen, vor allem Schulen und Kitas will man anlocken. Schon recht – aber wann gibt’s den ersten Honig?
Nicht mehr in diesem Jahr, sagen die Imker. Aber im nächsten, wenn sich die Ludwigshöh-Bienen an den Blüten der neuen Nachbarschaft gelabt haben. Der Name des Produkts steht schon mal fest: „Großherzog-Ludwig-Honig“; okay, viel edler geht’s nicht.
(Thomas Wolff)
Turmfest – und für die Muttis Blümchen
Foto: Reiner Leichtlein
BESSUNGEN – Nur ein kurzer Erfrischungsschauer am Nachmittag störte die Feier für den Ludwigsturm auf dem Bessunger Hausberg, ansonsten wars wie immer, wenn die Lapping einladen.
140 Lenze zählt jetzt der hoch aufragende Turm – und die Bürgeraktion Bessungen-Ludwigshöhe (BBL) nahm dies zum Anlass, dieses markante Bauwerk mit hunderten Gästen zu feiern. Landgraf Ludwig hatte zwar keine Gelegenheit mehr, eine „Lokalrunde“ zu schmeißen, aber gefeiert wurde trotzdem. Vor allem geschwätzt. Und zwar viel, denn man traf sich wieder mal, saß oder stand gemütlich beisammen und ließ sich von der BBL mit Weck, Worscht un Woi und von den „Ludwigsklause“-Wirtsleuten mit allem anderen, was schmeckt, verwöhnen. Und die BBL-Verantwortlichen dachten an diesem besonderen Tag, nämlich dem „Muttertag“, auch an die anwesenden Muttis und Siegbert Schreiner hielt Blümchen für sie bereit. Schorsch Angrick zeichnete für eine Wanderung durch den Bessunger Forst verantwortlich und der „Zirkus Hallöchen“ umsorgte die anwesende Kinderschar.
Dass der Turm und die Terrasse zurzeit immer noch „in Arbeit“ oder Restaurierung sind, verwunderte zwar so manche Besucher*innen, aber die Insider der Bürgeraktion konnten notwendige Auskünfte erteilen, denn es besteht ein guter und intensiver Kontakt zu den Verantwortlichen des Immobilien-Managements der Stadt.
Es gibt nun die große Hoffnung, dass die Terrasse (mit Ausblick auf die Heinerstadt und den Taunus) bis Ende August 22 wieder begehbar ist – und die umfangreichen Arbeiten am Turm bis Ende Oktober abgeschlossen sind, denn im zehnten Monat des Jahres 1882 feierten die Lappingshäuser die Einweihung „ihres“ Aussichtsturms.
Und die Bessunger waren damals besonders stolz. Sie waren ein noch eigenständiges Dorf und schafften gemeinsam mit dem Verschönerungsverein Darmstadt das heute Undenkbare: Nach einer Bauzeit von nur acht (ACHT!) Monaten stand der Turm in Gänze zur Einweihung bereit. Ich habe Hochachtung vor unseren Altvorderen.
(Charly Landzettel)